ADHS wird zwar häufig als Kinder- und Jugendthema angesehen, doch auch Erwachsene können von ADHS betroffen sein – oft ohne es lange zu wissen. In den letzten Jahren ist ADHS im Erwachsenenalter vermehrt ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Auf Social-Media-Plattformen wie Instagram teilen immer mehr Betroffene ihre späte Diagnose und Erfahrungen. So haben z.B. in jüngster Zeit einige bekannte Persönlichkeiten öffentlich gemacht, dass sie ADHS haben, was viele andere Erwachsene dazu veranlasst hat, sich selbst zu hinterfragen. Tatsächlich suchen inzwischen deutlich mehr Erwachsene online nach ADHS-Selbsttests und Informationen, nachdem Influencer über Symptomlisten und Aha-Erlebnisse berichten.

Wichtig ist jedoch, zwischen echtem Krankheitsbild und bloßer Mode-Diagnose zu unterscheiden – ADHS ist kein vorübergehender Trend, sondern eine ernstzunehmende neurobiologische Störung, die jedoch immer schon in der Kindheit beginnt. Mit anderen Worten: Man kann ADHS im Erwachsenenalter nicht plötzlich „neu bekommen“ (außer in extremen Ausnahmefällen wie bestimmten Hirnverletzungen) – viele Betroffene hatten bereits als Kind ADHS, es wurde nur nie erkannt. Häufig konnten diese Menschen in der Jugend Strategien entwickeln, um ihre Schwierigkeiten zu kompensieren, oder ihre Umgebung war wenig anspruchsvoll strukturiert, sodass die Symptome nicht auffielen. Erst im Erwachsenenleben – mit steigenden Anforderungen in Beruf, Studium, Organisation von Haushalt und Familie – treten die Probleme dann deutlich zutage.

Junger Mann sitzt am Schreibtisch, hält ein Smartphone und balanciert gedankenverloren einen Stift unter der Nase – Symbol für Konzentrationsprobleme und Ablenkung im Arbeitsalltag.
Junge Frau mit lockigem Haar sitzt müde und frustriert vor einem Laptop im Wohnzimmer – Ausdruck von mentaler Erschöpfung oder Schwierigkeiten beim Fokussieren.

Anzeichen von ADHS bei Erwachsenen

Die Kernsymptome entsprechen grundsätzlich denen im Kindesalter (Aufmerksamkeitsstörungen, Impulsivität, innere Unruhe), äußern sich aber bei Erwachsenen oft in veränderter Form. Viele Erwachsene mit ADHS wirken nach außen hin chaotisch oder zerstreut, weil sie z.B. häufiger Termine oder wichtige Dinge vergessen. Es fällt ihnen schwer, Aufgaben planvoll zu organisieren und Deadlines einzuhalten, und sie verzetteln sich leicht in Nebensächlichkeiten. Hinzu kommt meist eine ausgeprägte innere Unruhe – Betroffene fühlen sich ständig „getrieben“ und können abends nur schwer abschalten, selbst wenn sie äußerlich nicht mehr so hyperaktiv herumzappeln wie Kinder. Impulsivität zeigt sich bei Erwachsenen etwa darin, dass sie in Gesprächen anderen ins Wort fallen oder schnell aufbrausend und gereizt reagieren.

Typisch sind auch Konzentrationsprobleme im Arbeitsalltag: Flüchtigkeitsfehler, Prokrastination und leichte Ablenkbarkeit. Oft springen Betroffene von einer Idee zur nächsten, ohne etwas fertigzustellen. Viele berichten, dass sie sich „ständig verzetteln“ und wichtige Aufgaben vor sich herschieben – was zu Stress und Druck führt. Außenstehende nehmen sie deshalb häufig als unzuverlässig oder unorganisiert wahr. Gleichzeitig kämpfen nicht wenige im Stillen mit emotionaler Überforderung: Stimmungsschwankungen, ein generelles Gefühl der Überforderung im Alltag, Versagensängste oder chronisches Stressgefühl können das unerkannt fortbestehende ADHS begleiten. Bei Frauen steht tendenziell eher die innere Unruhe und Vergesslichkeit im Vordergrund, während Männer öfter durch äußere Impulsivität auffallen – individuelle Ausprägungen variieren jedoch stark.

Ein Paar sitzt eng nebeneinander auf einem Sofa und hält sich an den Händen, während eine dritte Person ihnen gegenüber Notizen macht – Szene aus einer Therapie im Erstgespräch

Folgen einer unbehandelten ADHS im Erwachsenenalter

Unbehandelt kann ADHS im Erwachsenenalter erhebliche Konsequenzen haben. So kommt es bei Betroffenen häufiger zu Konflikten in Partnerschaft und Familie sowie zu Problemen im Berufsleben (bis hin zum Verlust des Arbeitsplatzes). Auch finanzielle Schwierigkeiten durch desorganisiertes Verhalten oder impulsive Entscheidungen sind nicht selten. Zudem treten oft psychische Begleiterkrankungen auf: Studien weisen darauf hin, dass Erwachsene mit ADHS ein erhöhtes Risiko für Depressionen, Angststörungen und Substanzmissbrauch haben. Ebenso sind sie durch Unachtsamkeit statistisch öfter in Unfälle verwickelt. Umso wichtiger ist es, Hilfe zu suchen, wenn man den Verdacht hat, von ADHS betroffen zu sein.

Therapie und Unterstützung im Erwachsenenalter

Die gute Nachricht: Auch für Erwachsene mit ADHS gibt es wirksame Therapiemöglichkeiten und Unterstützung. Der erste Schritt ist in der Regel eine gründliche Diagnostik bei Spezialisten, zum Beispiel bei einem Facharzt für Psychiatrie/Psychotherapie oder einem Psychologen mit ADHS-Erfahrung. Da ADHS bei Erwachsenen lange Zeit unterdiagnostiziert war, bestehen hier oft noch Wissenslücken – Schätzungen zufolge haben vier von fünf betroffenen Erwachsenen nie eine offizielle Diagnose erhalten. Doch das ändert sich nach und nach. Wenn die Diagnose gestellt ist, wird typischerweise ein multimodales Behandlungskonzept empfohlen – ähnlich wie bei Kindern, jedoch angepasst an die Lebenssituation von Erwachsenen.

Mann mit blauer Hemd sitzt auf einem Sofa und spricht offen mit einer Therapeutin, die Notizen macht – Ausdruck für Vertrauen und Gesprächsbereitschaft in der Therapie
Junge Frau mit lockigem Haar und gelber Strickjacke lächelt einer anderen Person zu und legt ihr aufmunternd die Hand auf die Schulter – Szene aus einer Sitzung mit empathischer Unterstützung.

Ein wichtiger Baustein der Therapie ist die Psychoedukation und das Coaching. Dabei handelt es sich um ein strukturiertes Training (oft in Form mehrerer Sitzungen oder Gruppenworkshops), in dem Betroffene alles Wichtige über ADHS erfahren und vor allem praktische Strategien für den Alltag lernen. Themen sind zum Beispiel:

  • Wie strukturiere ich meinen Tagesablauf und meine Arbeitsaufgaben besser?
  • Wie kann ich wichtige Dinge priorisieren und meine Konzentration gezielt lenken?
  • Welche Methoden helfen mir, mit Stress umzugehen und meine Impulsivität zu zügeln?

Ein solches ADHS-Coaching oder -Training kann sehr hilfreich sein, um eingefahrene Verhaltensmuster zu durchbrechen. Viele erwachsene Patienten berichten, dass es ihnen enorm hilft zu verstehen, warum sie in bestimmten Situationen so reagieren, und alternative Handlungsweisen einzuüben. Auch Selbsthilfestrategien wie das Führen von To-do-Listen, das Nutzen von Kalendern und Zeitmanagement-Tools oder Achtsamkeitsübungen (Meditation, Yoga) werden vermittelt. Wichtig ist zudem der Einbezug des nahen sozialen Umfelds: Partner oder Familienangehörige können lernen, wie sie unterstützend helfen können, ohne den Betroffenen zu bevormunden. Ein offener Umgang mit der Diagnose im privaten Umfeld kann Missverständnisse reduzieren – etwa indem man erklärt, dass Vergesslichkeit keine böse Absicht ist. Natürlich ist ADHS keine Entschuldigung für alles; gemeinsam an Lösungen zu arbeiten, steht im Vordergrund.

In manchen Fällen kann bei Erwachsenen mit ADHS zusätzlich auch eine medikamentöse Therapie sinnvoll sein, insbesondere wenn die Symptome sehr ausgeprägt sind. Ob und welche Medikamente zum Einsatz kommen, entscheidet jedoch der behandelnde Facharzt. Falls eine medikamentöse Unterstützung für Sie infrage kommt, wird der Facharzt dies mit Ihnen besprechen und gegebenenfalls einleiten. Generell sollte eine Medikation immer in ein Gesamtkonzept aus Aufklärung, Coaching und gegebenenfalls Psychotherapie eingebettet sein. Nicht immer ist eine Medikamenteneinnahme notwendig – viele Betroffene kommen auch mit den genannten nicht-medikamentösen Strategien gut zurecht.

Neben professioneller Behandlung können auch Selbsthilfegruppen und der Austausch mit anderen Betroffenen äußerst hilfreich sein. Es tut vielen Erwachsenen gut zu erfahren, dass sie nicht „einfach nur faul oder dumm“ sind, sondern dass ihre Schwierigkeiten einen Namen haben und von vielen anderen geteilt werden. Durch den Erfahrungsaustausch entstehen oft praktische Tipps für den Umgang mit Alltagsproblemen. Organisationen wie ADHS-Deutschland e.V. bieten hierfür Anlaufstellen und Gruppen – auch online – an. Zudem lohnt es sich, die positiven Seiten von ADHS nicht zu vergessen: Viele Betroffene sind ausgesprochen kreativ, ideenreich und spontan – Eigenschaften, die im richtigen Umfeld klare Stärken sein können. Mit der passenden Unterstützung lernen Erwachsene mit ADHS, ihre Potenziale zu nutzen und ihre Schwächen besser auszugleichen.

Doppelt belichtete Silhouette einer Frau mit Sonnenaufgang im Kopfbereich und Wasser im Hintergrund – symbolisiert innere Gedankenwelt, emotionale Tiefe und Ordnung der Gedanken.

Unser Angebot für Erwachsene

Auch wenn der Schwerpunkt unserer Praxis auf der Arbeit mit Kindern liegt, unterstützen wir selbstverständlich auch Erwachsene im Rahmen unserer Möglichkeiten. In einem Beratungsgespräch finden wir gemeinsam heraus, ob unser Angebot für Sie das Richtige ist oder ob wir Ihnen eher einen anderen therapeutischen Ansatz empfehlen würden.

Vielleicht haben Sie durch Medienberichte oder einen Selbsttest den Verdacht bekommen, dass Sie ADHS haben? Dann zögern Sie nicht, ein Beratungsgespräch mit uns zu vereinbaren. Gemeinsam besprechen wir Ihre Symptome und Ihre Lebenssituation. Gegebenenfalls können wir eine orientierende Einschätzung vornehmen und Ihnen erläutern, welche nächsten Schritte sinnvoll wären – beispielsweise eine Überweisung an einen Facharzt zur detaillierten Diagnostik oder Hinweise zu geeigneten Coaches und weiteren Therapieangeboten.

Falls Sie bereits als Erwachsener diagnostiziert sind und Unterstützung im Alltag suchen – etwa durch ergotherapeutische Trainings zur besseren Strukturierung Ihres Tages oder zum Stressmanagement – finden Sie bei uns ebenfalls ein offenes Ohr. ADHS kann auch im Erwachsenenalter erfolgreich gemanagt werden, sofern man sich der Problematik bewusst ist und aktiv daran arbeitet. Wir möchten Ihnen helfen, mehr Klarheit und Struktur in Ihr Leben zu bringen. Kontaktieren Sie uns – dies ist oft der erste Schritt zu besserem Selbstmanagement und gesteigerter Lebensqualität mit ADHS.

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